Politikwissenschaftliche Studiengänge verbinden Frankfurt und Darmstadt

An der TU Darmstadt und der Frankfurter Goethe-Universität gibt es seit 2007 einen deutschlandweit einmaligen gemeinsamen Studiengang für Internationale Studien / Friedens- und Konfliktforschung. Bis dieser interuniversitäre und interdisziplinäre Weg zum Masterabschluss zusammen mit der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung geebnet war, musste Pionierarbeit bewältigt werden.

Prof. Dr. Klaus Dieter Wolf (li., Bild: HSFK), Prof. Dr. Jens Steffek (re., Bild: Felicitas von Putzau)

„Das war mein Baby, dieser Studiengang“, erinnert sich Tanja Brühl mit einem Lachen. Damals war sie noch Juniorprofessorin für Politikwissenschaften an der Frankfurter Goethe-Universität, heute ist sie deren Vize-Präsidentin. Schon seit den 1970er Jahren gab es Bestrebungen, die Friedens- und Konfliktforschung an Universitäten zu verankern. „Der Bologna-Prozess eröffnete dann neue Möglichkeiten für die Interdisziplinarität“, sagt sie.

2005 stand ein erster Kooperationsvertrag zwischen der Frankfurter und Darmstädter Universität an und Tanja Brühl nahm Kontakt zur TU und deren Gruppe IANUS auf. Die Darmstädter befassten sich schon damals speziell mit der naturwissenschaftlich-technischen Dimension der Friedens- und Konfliktforschung. „Und diesen Aspekt wollte ich unbedingt mit an Bord haben“, erinnert sich die Vize-Chefin der Goethe-Uni.

Tanja Brühl und ihr Darmstädter Kollege Klaus Dieter Wolf, TU-Professor für internationale Politik und heute Leiter des Leibniz-Instituts Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK), waren die treibenden Kräfte. „Es gab keinerlei Erfahrung mit einem gemeinsamen Studiengang in Frankfurt und Darmstadt“, sagt Wolf. Ein Jahr lang kämpften sie sich mit ihrer Idee und ihrem Vorhaben durch die jeweiligen Fachbereiche, Studienausschüsse und den Senat beider Hochschulen.

Deutschlandweit einmalig

„Es war nicht leicht, denn es gab unterschiedliche Studienordnungen, Systeme, interne Regelungen und unterschiedliche Software. Aber es war einfach toll zu sehen, wie sich beide Seiten aufeinander zubewegt haben“, ist Brühl noch heute begeistert. Auch Wolf spricht von der „grandiosen Erfahrung, wie die TU-Rechtsabteilung mit der Freude am Gelingen daran gegangen ist“. Es habe eine positive Grundstimmung gegeben, neue Wege zu gehen – befeuert vom damaligen Autonomieprozess der TU Darmstadt und der Frankfurter Idee der Stiftungs-Universität.

Im Wintersemester 2007/ 2008 war es soweit: Der Masterstudiengang „Internationale Studien / Friedens- und Konfliktforschung“ und noch ein weiterer gemeinsamer Studiengang – „Politische Theorie“ – wurden genehmigt und vom hessischen Wissenschaftsministerium bewilligt. „Das war Pionierarbeit und deutschlandweit einmalig“, sagt Klaus Dieter Wolf. Anfangs hatten Frankfurt und Darmstadt zwar Probleme, die 60 Plätze zu besetzen, „aber dann entwickelte sich die Nachfrage rasant schnell“, so Wolf. Heute gibt es zwischen 500 und 600 Bewerbungen aus ganz Deutschland für die Studienplätze und ein spezielles Auswahlverfahren für den viersemestrigen Master.

Nach anfänglichen bürokratischen Problemen, bedingt durch zwei Studienstandorte, liegt die Verwaltung, also die Anerkennung und Abrechnung von Studienleistungen, für den gemeinsamen Studiengang heute allein in der Hand der Goethe-Universität. Darmstadt besteht jedoch auf dem Nachweis der aktiven Teilnahme an Seminaren der TU.

Ein Drittel der Masterstudierenden ist der TU Darmstadt zuzurechnen, zwei Drittel Frankfurt. In Darmstadt gelten alle Angebote wie etwa Mensa und Bibliotheksnutzung gleichberechtigt für die Kommilitonen aus Frankfurt und auch umgekehrt. Ebenso stehen ihnen die Angebote der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung zur Verfügung. Vizepräsidentin Tanja Brühl stellt fest: „Alle Seiten profitieren von der Kooperation.“ Bürokratisch habe es anfängliche „Umwege“, inhaltlich jedoch nie Zwistigkeiten gegeben. Jeder Partner habe sein eigenes Angebot und seine Besonderheiten eingebracht.

Für die TU Darmstadt liegt einer der Schwerpunkte vor allem auf der naturwissenschaftlich-technischen Dimension der Friedens- und Konfliktforschung oder der Technologie und internationalen Zusammenarbeit, so die Titel beispielsweise zweier Wahlpflichtmodule an der TU. „Das gibt es sonst nirgendwo“, sagt Klaus Dieter Wolf. So gehört zum Profil auch der Bericht Darmstädter Bauingenieure über Wasserversorgungsprojekte in Entwicklungsländern.

Der pendelnde Professor

Professor Jens Steffek ist quasi ein Kind der bilateralen Beziehungen beider Unis. Der 43-Jährige, der in Florenz in Politik- und Sozialwissenschaften promoviert hat, ist Professor für Transnationales Regieren an der TU Darmstadt und Principal Investigator am Exzellenzcluster „Die Herausbildung normativer Ordnungen“ an der Goethe-Universität, an dem ebenfalls beide Universitäten beteiligt sind.

Er lehrt in Darmstadt und forscht mit Kollegen in Frankfurt, pendelt wie auch die Studierenden mehrmals wöchentlich zwischen den Hochschulen. Die Aufteilung auf zwei Studienstandorte und die entsprechende Planung der Lehrveranstaltungen sei zwar eine „logistische Herausforderung“, er findet zwei Studienstandorte jedoch spannend.

Die sehr interdisziplinäre Ausrichtung reizt ihn besonders. „Ich kann viele eigene Themen setzen“, sagt er und meint damit vor allem Schwerpunkte zur Arbeit internationaler Nichtregierungsorganisationen (NGO). Für kommende Semester plant der Professor nun auch gemeinsame Lehrveranstaltungen mit Frankfurter Kolleginnen und Kollegen etwa zum Thema Völkerrecht und Völkerstrafrecht.

Als eine ganz besondere Veranstaltung preist er die regelmäßigen Exkursionen des Studiengangs nach New York oder Genf, wo die Studierenden an offiziellen Abrüstungsverhandlungen für Chemie-, Bio- oder Nuklearwaffen bei den Vereinten Nationen oder an UN-Simulationen teilnehmen dürfen. Steffek: „Das ist für die Studierenden eine spannende Erfahrung.“

Astrid Ludwig

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