Von Quarkmaterie zu Neutronensternen

Dr. Andreas Geißel (li.) und Professor Dr. Jens Braun (re.) vom Institut der Kernphysik der TU Darmstadt. Bild: Patrick Bal

Die genaue Beschreibung von Materie unter extremen Bedingungen, wie sie im Inneren von Neutronensternen vorkommt, ist bis heute ein ungelöstes Problem. Die Dichte dieser besonderen Materie entspricht der von etwa 100.000 Eiffeltürmen auf einen Kubikzentimeter komprimiert. Besonders die Eigenschaften sogenannter Quarkmaterie, die aus den fundamentalen Bausteinen des Universums, den Quarks, besteht und in extrem dichten Regionen existieren kann, spielen dabei eine zentrale Rolle. Forschende der TU Darmstadt und der Goethe-Universität Frankfurt untersuchten diese Materie sowie deren thermodynamischen Eigenschaften. Ihre Ergebnisse wurden nun in dem renommierten Journal „Physical Review Letters“ veröffentlicht.

Theoretische Untersuchungen zeigen, dass Quarks bei sehr niedrigen Temperaturen in einen sogenannten farbsupraleitenden Zustand übergehen, welcher der Materie völlig neue Eigenschaften verleiht. Dieser Zustand ähnelt dem Übergang eines Elektronengases in einen elektrischen Supraleiter – nur dass Quarks statt Elektronen sich zu Paaren formen und eine Energielücke im Anregungsspektrum ausbilden. Anders als bei einem herkömmlichen Supraleiter leitet ein Farbsupraleiter in der Regel aber nicht elektrische Ströme ohne Widerstand, sondern die Farbladung der Quarks. Diese Ladung bestimmt letztlich die Stärke der Wechselwirkung zwischen diesen kleinsten Materiebausteinen des Universums.

Die Bildung von Quarkpaaren und die daraus resultierende Energielücke verändern das Verhalten der Materie grundlegend. Selbst relativ schwache Paarungseffekte haben deutliche Auswirkungen auf die Materie und deren thermodynamische Eigenschaften.

Andreas Geißel, Tyler Gorda und Jens Braun untersuchen diese Effekte im Detail. Sie berechnen Korrekturbeiträge, die aus Paarbildung und Wechselwirkungen der Quarks entstehen, und berücksichtigen dabei die spezifischen Bedingungen im Inneren von Neutronensternen. Damit kann das Forscherteam schließlich sowohl den thermodynamischen Druck als auch die Schallgeschwindigkeit in farbsupraleitender Quarkmaterie bestimmen.

Signifikanten Erhöhung der Schallgeschwindigkeit

Die Ergebnisse zeigen, dass der farbsupraleitende Zustand bei hohen Dichten thermodynamisch bevorzugt ist. Außerdem führt dieser Zustand zu einer signifikanten Erhöhung der Schallgeschwindigkeit, ein direktes Maß für die mechanische Stabilität von Materie. Aus den Berechnungen ergibt sich unter anderem, dass die Schallgeschwindigkeit im Inneren von Neutronensternen mehr als 60 Prozent der Lichtgeschwindigkeit betragen könnte, also mehr als 180.000 Kilometer pro Sekunde. Dieser Wert wirkt umso imposanter, wenn man ihn mit der Schallgeschwindigkeit im härtesten irdischen „Alltagsmaterial”, dem Diamanten, vergleicht. Diese ist 10.000-mal kleiner.

Numerische Simulationen deuten außerdem darauf hin, dass solch hohe Schallgeschwindigkeiten notwendig sind, um die Stabilität der massereichsten bekannten Neutronensterne zu erklären. Die Arbeit von Geißel, Gorda und Braun legt nun nahe, dass farbsupraleitende Materie einen wichtigen Baustein für die Erklärung massereicher Neutronensterne darstellt und gleichzeitig die Beobachtung derselben hilft, die Energielücke im Quarkspektrum präziser einzugrenzen.

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